Verkostungsprotokoll 15.3.96:


Wieviele Punkte haben 100-Punkte Weine?

Diesmal hatten wir es zur Gänze auf von Parker mit 100 Punkten bewertete Weine abgesehen. Parker macht seine Verkostungen ja auf der Basis gleicher Jahrgänge und Regionen und wir haben die aus den Rahmenbedingungen resultierende Relativität der Weinbewertung in den bisherigen Verkostungen hinreichend erlebt: Nach ein paar miesen Weinen ist man bald bereit, einem mittelmäßigem Gewächs gute Noten zu geben.
Andererseits stellte sich die Frage, ob wir es bei dieser Verkostung vielleicht mit einer nach der dritten Flasche langweiligen Anhäufung praktisch identer Weine zu tun haben werden.

1. Le Pavillon, Chapoutier 1991:

Dunkles Rubin, gerade noch durchsichtig. Verschlossenes Bouquet. Im Geschmack bitteres Gemüse, leicht dünn im Nachgeschmack. 50+4+11+15+5 = 85 Punkte. Wie Parker zu seinen 100 Punkten gekommen ist, ist schleierhaft. Möglicherweise hat der Wein gerade komplett zugemacht oder die Flasche hatte einen Fehler.

2. La Chapelle, Jaboulet, 1990:

Dunkles Rubin, dicke Schlieren. Dunkelbeeriges Bouquet. Pelziges, beeriges Gemüse, sehr langer Nachgeschmack. 50+5+13+19+8 = 95 Punkte. Bei der letzten Verkostung bewerteten wir diesen Wein bei fast identer Beschreibung mit 99 Punkten.

3. Cannubis Boschis, Sandrone, 1990:

Dunkles Granat, feines etwas kaltes Bouquet. Im Geschmack etwas Schokolade, viel Tannin, langer Nachgeschmack. Hoher Alkoholgehalt, leichter Schnapston, strenger Wein. 50+4+13+16+7 = 90 Punkte. Die 100 Punkte von Parker sind nicht nachvollziehbar - in diesem Jahrgang gibt es bessere Barolos.

4. Chambolle-Musigny, George de Vogüé, 1993:

Helles Granat. Zuerst Bouquet nach Bitterschokolade, dann nach Ribisel. Sehr schön ausgewogen, aber nicht beeindruckend. Angenehmer Nachgeschmack. 50+3+12+18+5 = 88 Punkte. Ein kleiner Sidestep zur Kontrolle: Parker hat diesen Wein mit 87 Punkten bewertet.

5. Cuvée Jaques Perrin, Beaucastel, 1990:

Schwarz, undurchdringlich. Geil, Zibet/Zirbel-Bouquet. Schwarzer Geschmack, extrem lang anhaltend. Überwältigendes Tannin, Kirschlikör. 50+5+14+19+9 = 97 Punkte. Bei der letzten Verkostung bewerteten wir diesen Wein (der leider kaum zu bekommen ist) mit 99 Punkten.

6. La Mordorée, Chapoutier, 1991:

Dunkles Granat. Sehr schönes Kirschbouquet. Gut ausgewogen, etwas kühl. Alkoholreich, etwas bitter, leicht streng. 50+5+15+18+8 = 96 Punkte.

7. La Mouline, Guigal, 1990:

Dunkles Rubin, fast schwarz, etwas Depot. Schönes Bouquet nach Kirsche und Kaffee. Im Geschmack likörartige Intensität. 50+5+15+19+9 = 98 Punkte. Bei der letzten Verkostung beurteilten wir diesen Wein als ultimativ mit 100 Punkten.

8. La Turque, Guigal, 1990:

Dunkles Granat, sehr klar. Schönes Kirschkonzentrat, sehr ausgewogen. Intensiver Nachgeschmack. 50+5+15+19+9 = 98 Punkte.

9. Chateaux Montrose, 1990:

Schwarzes Rubin, brilliant. Samtiger Geschmack und geschmeidiger Abgang. Langer Nachgeschmack, schöner warmer Wein. 50+5+15+9+9 = 98 Punkte. Bei der letzten Verkostung hatten wir für diesen Wein bei ähnlicher Beschreibung 97 Punkte vermerkt.

Essen:

Petersilienschaumsuppe als Grundlage. Im Wein geschmorter köstlicher Rindsbraten mit einem Gedicht von Käsesoufflée. Käse zum Abschluß (Chambertin in optimalem Reifezustand).

Fazit:

100-Punkte Weine im direkten Vergleich zeigen doch erstaunliche Unterschiede, die zeigen, daß auch in der obersten Liga genügend Spielraum für Individualität gegeben ist. Die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Weine spielen sicher auch eine große Rolle - generell ist jedoch erstaunlich, mit welch großen Genuß diese relativ jungen Weine getrunken werden können, die doch nach herkömmlicher Auffassung noch viele Jahre reifen müßten.

Trotz vergleichbarer Punktebewertungen mit den anderen Weinen waren der Jaques Perrin und der Montrose besonders bemerkenswert: Ein etwaiger Mangel an Rafinesse wird durch besondere Monumentalität und Kraft bei weitem ausgeglichen. Schön, daß es so etwas gibt.

Eine herbe Enttäuschung hingegen der Pavillon und der Cannubis - sie müssen wohl gerade in einer schwierigen Phase sein oder Parker hat sich ganz einfach geirrt. Trotzdem hat sich aber auch bei dieser Verkostung gezeigt - ein Wein, der von Parker gut bewertet wird, ist meist ein sicherer Tip für großen Genuß.


Teilnehmer: Kurt Ertlbauer, Gerd Judmaier, Wilfried Knapp, Gert Keller, Rudolf Nowak. Als Gast: Bubi Plattner.